Gesetzesentwurf zur bandenmäßigen Steuerhinterziehung
Mit dem Gesetz zur umfassenden Verfolgung der organisierten Steuerhinterziehung hat der Gesetzgeber eine Änderung der zentralen Strafvorschrift des § 370 AO vorgesehen. Die Voraussetzungen für eine bandenmäßige Steuerhinterziehung sollen wesentlich herabgesenkt werden. Dies hält weitreichende Folgen bereit.
Bislang begeht eine bandenmäßige Steuerhinterziehung und damit einen besonders schweren Fall des Tatbestands, wer als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten der Steuerhinterziehung verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern hinterzieht (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO). Dadurch soll insbesondere die organisierte Kriminalität erfasst werden, die in der Vergangenheit etwa durch sog. Umsatzsteuerkarusselle aufgefallen ist. Nach Auffassung des Gesetzgebers hat die jüngere Vergangenheit etwa durch den CumEx-Skandal zutage gefördert, dass eine bandenmäßige Begehung faktisch nicht auf die vom Gesetz bezeichneten Steuerarten begrenzt ist. Auch etwa Körperschafts-, Einkommens- oder Gewerbesteuern seien für eine Begehung durch organisiert Kriminelle anfällig.
Davon ausgehend sieht der Gesetzesentwurf eine Beschränkung auf bestimmte Steuerarten nicht mehr vor. Eine bandenmäßige Begehung soll vielmehr bei sämtlichen Steuerarten möglich sein. Dem strafrechtlich versierten Leser dürfte an dieser Stelle eine Parallele zur kürzlich im Geldwäscherecht umgesetzten all-crimes-Lösung ins Auge springen (hierzu auch unseren KRAFT. Blog vom 18.03.2021).
Bedeutender für den Gesetzesvorstoß war jedoch die folgende, prozessuale Erwägung: Bei § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO handelt es sich um eine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 StPO, die eine Telekommunikationsüberwachung als heimliche Ermittlungsmaßnahme ermöglicht. Bandenmäßige Begehungsweisen sind regelmäßig durch Organisations- sowie Kommunikationsstrukturen geprägt, die von außen in offen ermittelnder Form nicht zugänglich sind. Durch die Erweiterung des Regelbeispiels wird zugleich die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung erweitert.
Diese Auswirkung der geplanten Neuregelung trifft auf berechtigte Kritik in Wissenschaft und Literatur. So hat sich etwa die Bundesrechtsanwaltskammer entschieden gegen den Entwurf ausgesprochen („verfassungswidrig“). Das eingriffsintensive Instrument der Telekommunikationsüberwachung ist grundsätzlich auf Tatbestände schwerer Kriminalität beschränkt. Gleich wenn die organisierte Kriminalität den Gesetzgeber zu der geplanten Änderung motivierte, erfasst diese nicht lediglich diesen Bereich: Eine Bande kann vielmehr bereits das zusammen veranlagte Ehepaar und ihr Steuerberater gründen. Auch eine dreiköpfige Familie, die beschließt, künftig die Einnahmen ihres gemeinsam geführten Restaurants nur noch unvollständig der Besteuerung zu unterwerfen, kann eine Bande bilden.
Naheliegender im Sinne der Verhältnismäßigkeit wäre es daher gewesen, die Telekommunikationsüberwachung auf das bereits bestehende Regelbeispiel der Steuerhinterziehung großen Ausmaßes (ab 50.000 Euro) auszuweiten – wie die Bundesregierung es angedacht hat. Angesichts der Existenz dieses Regelbeispiels erscheint es überdies fragwürdig, ob materiell-strafrechtlich eine Lücke bei der bandenmäßigen Begehung existiert: Soweit eine Bande eine andere Steuerart als eine Umsatz- oder Verbrauchssteuer hinterzieht, dürfte regelmäßig die Grenze von 50.000 Euro überschritten sein und bereits dieser Umstand das Delikt zu einem besonders schweren Fall qualifizieren. Soweit sich die geplante Erweiterung der bandenmäßigen Begehung durchsetzt, wäre jedenfalls eine Regelung im Sinne der Rechtsstaatlichkeit wünschenswert, die die Möglichkeit einer Telekommunikationsmaßnahme tatbestandlich auf Fälle erhöhten Unrechts begrenzt.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
Wussten Sie eigentlich schon, dass… das gesamte Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2020 bei rund 728,3 Mrd. Euro lag. Das macht rund 1,990 Mrd. Euro pro Tag, 82,9 Mio. Euro pro Stunde, 1,38 Mio. Euro pro Minute und rund 23.031 Euro pro Sekunde. Die Steuerschulden des Weltklasse-Fußballers Neymar (34,6 Mio. Euro) gegenüber dem spanischen Fiskus aus dem Jahr 2020 entsprechen daher 25 Minuten des Gesamtsteueraufkommens der Bundesrepublik.