BGH zur Ablehnung von Richtern wegen der Besorgnis der Befangenheit
Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu den Voraussetzungen der Geltendmachung einer unrechtmäßigen Ablehnung eines Richters im Rahmen einer Revision geäußert.
Im zu entscheidenden Sachverhalt hatte sich eine Schöffin des LG Bremen in einer Weise verhalten, die – jedenfalls nach objektiven Maßstäben – Zweifel an ihrer Unbefangenheit begründete. Weder die Staatsanwaltschaft noch die Verteidigung nahm dies jedoch zum Anlass, einen Antrag auf ihre Ablehnung zu stellen. Dennoch beschloss die Strafkammer in der Folge den Ausschluss der Schöffin.
Die Entscheidung des BGH
Gegen diesen Ausschluss wandte sich die Verteidigung nun erfolgreich mit der Revision. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass der Revisionsführer durch den Ausschluss der Schöffin seinem gesetzlichen Richter entzogen worden war. Das Gesetz unterscheide insoweit eindeutig zwischen dem Ausschluss eines Richters wegen des Vorliegens sog. Ausschlussgründe (z.B. Verwandtschaft mit Angeklagtem oder Opfer, Vorbefassung mit dem Sachverhalt etc.) und der Ablehnung eines Richters wegen des Vorliegens sog. Ablehnungsgründe (insb. Besorgnis der Befangenheit). Während das Vorliegen von Ausschlussgründen zu einem zwingenden Ausschluss des betroffenen Richters führe, sei ein Ausschluss bei dem Vorliegen bloßer Ablehnungsgründe von dem Antrag eines Berechtigten abhängig.
Diese Sachentscheidung drängte sich nicht nur fachlich auf. Sie ist auch aus Verteidigersicht zu begrüßen. Denn es gibt in der Praxis keinen Automatismus zwischen einer Besorgnis der Befangenheit und dem Stellen eines Ablehnungsgesuchs. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Verteidigungsinstrument, über dessen Einsatz nicht zuletzt strategische Überlegungen entscheiden.
Prozessuale Hürden
Dass der Bundesgerichtshof aber überhaupt in der Sache entscheiden konnte, war keineswegs vorgezeichnet. Denn auf dem Wege zu der dargelegten Sachentscheidung waren gleich mehrere prozessuale Hürden zu überwinden:
Ausschluss der Anfechtbarkeit bei stattgebendem Beschluss
So kennt die Strafprozessordnung mit § 28 Abs. 1 StPO eine Regel, wonach ein Beschluss, durch den ein Richter von der Mitwirkung ausgeschlossen wird, nicht angefochten werden kann. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass in dieser Konstellation zwar ein anderer, jedenfalls aber ein unbefangener Richter über das Schicksal des Angeklagten entscheidet. Es gibt daher regelmäßig kein Bedürfnis für ein Rechtsmittel. Der BGH entschied nun überzeugend, dass diese Einschränkung nur soweit gelten kann, wie der Angeklagte durch den Ausschluss nicht in willkürlicher Weise seinem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) entzogen wird. Durch die offensichtliche Verkennung des Antragserfordernis sei gerade dies jedoch der Fall gewesen und eine Anfechtung daher ausnahmsweise nicht ausgeschlossen.
Das Vorabentscheidungsverfahren
Die Entscheidung über die Besetzung des Gerichts ist vom Gesetzgeber zudem in ein Vorabentscheidungsverfahren vorverlagert worden. Etwaige Einwände gegen die Besetzung der Richterbank sollen nicht mehr mit der (nachträglichen) Revision gerügt werden können, sondern vor der Hauptverhandlung endgültig geklärt sein. Die sich daraus ergebende sog. Rügepräklusion für den Fall einer unterlassenen Rüge nach Bekanntgabe der Gerichtsbesetzung kann jedoch von vorneherein nur greifen, wenn die etwaigen Ablehnungsgründe bereits vor Beginn der Hauptverhandlung vorlagen – im zu entscheidenden Fall hatten sich die möglichen Ablehnungsgründe erst im Laufe der Hauptverhandlung ergeben.
Auch die auf den innerhalb der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand hin ergangene Entscheidung des OLG Bremen konnte daher die Unzulässigkeit der Revision nicht begründen. Denn dieses hatte keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Schöffin getroffen. Es hat vielmehr von einer Entscheidung in der Sache wegen Unzulässigkeit der Vorlage abgesehen. Vor dem Revisionsgericht hatte daher noch kein Rechtsmittelgericht über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses entschieden.
Entscheidungsbesprechung in der Fachzeitschrift NStZ
Mit der nun vorliegenden Entscheidung des BGH setzt sich unser Rechtsanwalt Dr. Christopher Czimek gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Lukas Schefer in der aktuellen Ausgabe der strafrechtlichen Fachzeitschrift NStZ auseinander. Wer sich vertieft mit den materiellen und prozessualen Hintergründen der Ablehnung von Richtern aufgrund einer Besorgnis der Befangenheit auseinandersetzen möchte, dem sei die Urteilsanmerkung in NStZ 2022, S. 630 ff. nahegelegt.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
Wussten Sie eigentlich, dass… ein Vorsitzender Richter des LG Rostock sich im Jahr 2016 auf dem sozialen Netzwerk Facebook als „Schwedische-Gardinen-Verkäufer“ feierte? Zudem lud er dort ein Bild hoch, auf dem er mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA – 2. Große Strafkammer Landgericht Rostock – 1996 bis heute“ zu sehen war. Der BGH bestätigte insoweit die Ablehnung des Richters durch einen Angeklagten, der sich um die Unbefangenheit des Richters besorgt sah.