Zu den Anforderungen an den Verbotsirrtum eines Unternehmers – „ignorantia legis non excusat“

09. August 2021

Zu den Anforderungen an den Verbotsirrtum eines Unternehmers – „ignorantia legis non excusat“

Den Unternehmer trifft nicht nur die Pflicht, sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit über typische Rechtsfragen seines Tätigkeitsfelds zu informieren. Er ist auch verpflichtet, diese Kenntnis aktuell zu halten.

Der Volksmund hat bei seiner Erkenntnis „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ nur ungenau bei den alten Römern abgeschrieben. Diese haben mit dem Ausspruch „ignorantia legis non excusat“ („Unkenntnis des Gesetzes ist keine Entschuldigung“) des Pudels Kern besser getroffen. Die zutreffende Antwort auf die Frage, ob Unwissenheit vor Strafe schützt, beginnt damit mit der unliebsamen Floskel „Es kommt drauf an…“. Es kommt darauf an, was der Täter nicht weiß. Stark vereinfacht ausgedrückt: Weiß der Täter um tatsächliche Umstände nicht, schützt es ihn. Irrt er sich bei der rechtlichen Bewertung seines Tuns, schützt es ihn hingegen nicht.

Zum sog. Tatbestandsirrtum

Der Täter muss die tatsächlichen Umstände kennen, die der Verwirklichung des Tatbestands zugrunde liegen. Kennt er diese nicht, kann er sich einer vorsätzlichen Tat nicht strafbar machen. Dies ergibt sich aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Exemplarisch: Wirft jemand einen Stein auf eine lebende Statue, in der Überzeugung, es handelte sich um eine gegenständliche Skulptur, macht er sich nicht wegen einer (vorsätzlichen) gefährlichen Körperverletzung strafbar. Denn hierfür hätte er wissen müssen, dass er einen anderen Menschen vor sich hat und diesen mit seinem Steinwurf verletzt. Der Täter in unserem Beispiel stellte sich jedoch vor, seinen Stein lediglich gegen einen Gegenstand zu werfen. Seine Unwissenheit schützt ihn daher vor der Strafe – jedenfalls was die vorsätzliche Begehung angeht. Die Möglichkeit einer fahrlässigen Begehung bliebe bestehen.

Zum sog. Verbotsirrtum

Es schützt einen Täter hingegen grundsätzlich nicht, wenn er lediglich nicht darum weiß, dass sein Verhalten einen Straftatbestand verwirklicht – bzw. mit den Worten der alten Römer, das Gesetz nicht kennt bzw. ignoriert („ignorantia legis“). § 17 S. 1 StGB bestimmt zwar, dass ein Täter nicht schuldhaft handelt, wenn ihm bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Dies gilt jedoch nur dann, wenn dieser Irrtum für ihn unvermeidbar war. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Unvermeidbarkeit sind seit je her hoch. Unvermeidbar ist ein Verbotsirrtum erst dann, wenn der Täter „alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat“. Der Rechtsrat von einem beliebigen Rechtsanwalt genügt noch nicht. Die konkret erteilte Auskunft muss das Unrecht ausdrücklich verneinen, objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden sein. Bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen verlangt die Rechtsprechung zur Begründung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums regelmäßig sogar ein detailliertes, schriftliches Gutachten.

BGH zur Erkundungspflicht – Pflicht zur Aktualisierung

Im zu entscheidenden Fall hatte ein Schulbuchhändler seit 1991, Schulbücher an Schulen verkauft. Im Nachgang zu der Bestellung hat er den jeweiligen Schulleitern, abhängig von der Höhe des Einkaufs, einen Scheck zugunsten des Fördervereins der Schule zukommen lassen. Zu Beginn der geübten Praxis war das Verhalten aus strafrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Erst 1997 wurde der Tatbestand der Bestechung um die Gewährung von Vorteilen zugunsten Dritter – hier dem Förderverein – erweitert. Damit verwirklichte die Zusendung des Schecks erstmalig den Tatbestand der Bestechung. Diese Rechtsentwicklung hatte der Angeklagte nicht mitbekommen.

Der BGH hat nun – entgegen dem zuvor mit dem Fall befassten Landgericht – ausgeführt, dass den Schulbuchhändler diese Unwissenheit nicht entschuldigen könne. Denn geschäftlich Tätige treffen für die Frage der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums besondere Erkundigungspflichten. Von Unternehmern wird nicht nur erwartet, dass sie sich vor Aufnahme ihrer Tätigkeit, über die in ihrem spezifischen Geschäftsfeld geltenden einschlägigen Rechtsvorschriften informieren. Vielmehr sind sie verpflichtet ihre Rechtskenntnis regelmäßig zu aktualisieren, jedenfalls hinsichtlich solcher Rechtsänderungen des Kernstrafrechts, mit denen sie durch ihre spezifische Berufsausübung nach allgemeiner Lebenserfahrung in besonderer Weise in Berührung kommen. Dieser Pflicht war der Schulbuchhändler nicht nachgekommen.

Für ihn ist das letzte Wort dennoch noch nicht gesprochen. Denn der Verstoß gegen die Erkundungspflicht führt nicht per se zu einer Vermeidbarkeit des Irrtums. Vielmehr gilt es nun zu klären, ob eine (hypothetisch eingeholte) hinreichende Auskunft den Irrtum vermieden hätte. Ausweislich der Entscheidung des BGH ist nicht ausgeschlossen, dass die Einholung einer Rechtsauffassung des Schulamts oder des Schulleiters unter Umständen hinreichend hätte sein können – vorausgesetzt sie wäre objektiv und rechtlich fundiert erfolgt.

Rechtlich fundierte Ausführungen zur Erfüllung Ihrer Erkundungspflichten erhalten Sie jedenfalls von KRAFT. Rechtsanwälte. Gerne stehen wir Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen für die Begutachtung von strafrechtlichen Fragestellungen zur Verfügung.

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

Wussten Sie eigentlich, dass… das Georg-Eckert-Institut seit 2012 den Literaturpreis „Schulbuch des Jahres“ verleiht? Erster Preisträger in der Kategorie „Sprache“ war das Buch „geni@l Klick, A1. Deutsch für Jugendliche“ – Wir h@tten €$ j€d€nfall$ nicht gewu§§t.

Yvonne Krause
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