Verzinsung von hinterzogenen Steuern nicht verfassungswidrig

19. August 2021

Verzinsung von hinterzogenen Steuern nicht verfassungswidrig

In einem viel beachtetem Beschluss vom 08.07.2021 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen in Höhe von jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig ist – für die Strafverzinsung bei Steuerhinterziehungen gilt dies jedoch nicht.

Sparer ärgern sich bereits seit vielen Jahren über die anhaltende Niedrigzinsphase. So liegt der Leitzins der EZB seit Januar 2009 konstant unterhalb von 2 % und hat sich im Jahr 2014 mit großen Schritten der 0 %-Marke angenähert. Seit 2016 liegt er sogar durchgehend bei 0 %. Die Finanzämter legen Steuererstattungen sowie -nachzahlungen demgegenüber bereits seit vielen Jahrzehnten einen Zinssatz von jährlich 6 % zugrunde. Wer mit seiner Steuernachzahlung mehr als 15 Monate in Verzug ist, musste daher bislang mit einer monatlichen Verzinsung in Höhe von 0,5 % zum Gemeinwohl beitragen. Dies überrascht umso mehr, führt man sich den Zweck der Verzinsung vor Augen: Durch sie sollen vorenthaltene Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden.

Das spätestens seit 2014 bestehende, evidente Missverhältnis zwischen der am Kapitalmarkt zu erzielenden Verzinsung und der Berechnung des Finanzamts führte zunehmend zu Kritik an der geübten Praxis. In einem viel beachteten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht diese daher nun ab 2014 für verfassungswidrig erklärt. Eine rückwirkende Korrektur wird hingegen lediglich für solche Forderungen ab dem Jahr 2019 erfolgen und dies auch nur in solchen Fällen, in denen die entsprechenden Bescheide noch nicht rechtskräftig sind. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, bis zum 31.07.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen.

Von der Öffentlichkeit nur wenig beachtet, aus steuerstrafrechtlicher Sicht hingegen von großem Interesse, ist eine Passage des Beschlusses, der sich mit der Verzinsung von hinterzogenen Steuern gem. § 235 AO beschäftigt. Anders als zu vermuten wäre, erstreckt sich die Verfassungswidrigkeit ausdrücklich nicht auf sog. Teilverzinsungstatbestände wie § 235 AO. Die Begründung der Karlsruher Richter wirkt konstruiert: Wer Steuern hinterzieht, nehme deren Strafverzinsung bewusst in Kauf. Es sei die freie Entscheidung jedes Steuerpflichtigen, ob er durch die Hinterziehung von Steuern den Zinstatbestand des § 235 AO verwirkliche oder ob er die Steuerschuld tilge und sich „im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionen beschafft“. Dieser Gedanke gelte sogar in dem Fall, in dem einem Steuerpflichtigen eine Aussetzung der Vollziehung oder eine Stundung der Steuerschuld von Amts wegen „aufgedrängt“ werde. Denn eine Aussetzung der Vollziehung oder Stundung hindere den Steuerpflichtigen nicht daran, die Steuerschuld freiwillig zu begleichen. Es stehe jedem  frei, der nachteiligen Verzinsung zu entgehen, indem er sich gegen die aufgedrängte Aussetzung oder Stundung mit Rechtsmitteln zur Wehr setze.

Vor dem Hintergrund des angeführten Zwecks der Verzinsung – Ausgleich vorenthaltener Liquiditätsvorteile –, kann diese Argumentation nicht überzeugen. Denn auch bei freiwilliger Entscheidung für das Vorenthalten der geschuldeten Steuer bzw. (vermeintlich) bewusster Entscheidung für das Risiko des hohen Zinses übersteigt der vorenthaltene, tatsächliche Liquiditätsvorteil den am Kapitalmarkt zu erzielenden Zins nicht derart evident. Für die Zwecke der Praxis ist die Entscheidung der Verfassungshüter jedoch hinzunehmen, in der anwaltlichen Beratung ist sie zu beachten.

 

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

 

Wussten Sie eigentlich, dass… die Begriffe Steuerverfahren und Frauenversteher Anagramme sind? Mit bloßem Umstellen der Buchstaben des Wortes Steuerverfahren kann das Wort Frauenversteher gebildet werden.

Yvonne Krause
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