Psycholgie in unternehmerischen Krisensituationen
In unternehmerischen Krisensituationen stellt sich regelmäßig die Frage, wie es so weit kommen konnte. Dabei herrscht in der Nachbetrachtung häufig Einigkeit: das Problem war ab einem bestimmten Punkt absehbar. Warum aber haben die Verantwortlichen nicht rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergriffen?
Der Grund liegt – wenn das Problem tatsächlich erkennbar war – vielfach in typisch menschlichen Verhaltensweisen. Die Psychiaterin Dr. Elisabeth Kübler Ross hat fünf Stadien definiert, die die menschliche Psyche zu durchschreiten hat, bevor sie zur Akzeptanz einer Krisensituation kommen kann und ein tatsächliches Handeln überhaupt möglich ist. Dr. Vivien Veit hat diese in ihrem Beitrag „Die Geschäftsleitung in der Unternehmenskrise – warum psychologische Aspekte häufig den Turnaround erschweren“ (SanB 1/2022, 5 ff.) zusammengefasst.
1. Verdrängen/Leugnen (denial)
2. Zorn (anger)
3. Verhandlung (bargaining)
4. Depression (depression)
5. Akzeptanz (acceptance)
Die Stadien müssen dabei nicht linear durchschritten und können auch mehrfach durchgemacht werden. Besonnenes und nachhaltiges Handeln ist jedoch stets erst bei Erreichen der fünften und letzten Stufe möglich. Dann kann die Krise allerdings bereits so weit fortgeschritten sein, dass aufgrund der notwendigen Bekämpfung der zahlreichen Krisensymptome kein Raum mehr bleibt, die eigentlichen Ursachen auszumachen und auszuschalten. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Unternehmen und deren Verantwortliche. Regelmäßig kann auch bei natürlichen Personen der Effekt beobachtet werden, dass sich diese einem Strafverfahren ausgesetzt sehen, jedoch erst nach Anklageerhebung oder sogar erst nach einer Verurteilung in erster Instanz einen Anwalt aufsuchen, um sich angemessen verteidigen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt sind viele wertvolle Chancen jedoch bereits verstrichen.
Unternehmen tun daher gut daran, im Rahmen ihrer internen (Compliance-)Organisation Mechanismen vorzusehen, die sicherstellen, dass ausreichend neutrale Aufsichtsgremien möglicherweise notwendige Kurskorrekturen anstoßen oder sogar vornehmen können, sollten die eigentlich Verantwortlichen hierzu aufgrund der vorstehend dargelegten Mechanismen nicht in der Lage sein. Dabei kann es sich regelmäßig anbieten, externe Hilfe heranzuziehen. Eine entsprechende „Auslagerung“ sensibler Problematiken kann verhindern, dass ein notwendiger Veränderungsprozess durch zu große persönliche Verwicklungen aufgehalten wird. Für ein Strafverfahren gilt: je früher die Betreuung in professionelle Hände gelegt wird, desto besser.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
Wussten Sie eigentlich, dass… der nach dem Begründer der Psychotherapie benannte „Freudsche Versprecher“ wissenschaftlich nicht belegt ist? Während Sigmund Freud davon ausging, dass verdrängte Ängste und Wünsche im Rahmen sog. „sprachlicher Fehlleistungen“ an die Oberfläche drängen, handelt es sich nach heute überwiegender Auffassung nicht um eine geheime Tür zum Innersten des Menschen, sondern um eine schlichte Fehlleistung beim Sprachproduktionsprozess.