Hinweisgeberschutzgesetz auf der Zielgeraden

22. März 2021

Hinweisgeberschutzgesetz auf der Zielgeraden

Rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist hat das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz einen Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz vorgelegt und geht damit einen weiteren entscheidenden Schritt in Richtung Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie.

Der Referentenentwurf geht dabei erwartbar über die bloße Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel hinaus. 

KRAFT. Rechtsanwälte fassen die zentralen Neuerungen des Entwurfs zusammen:

Das Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) kann und kurz und knapp im Schutz von Personen zusammengefasst werden, die auf rechtswidrige Missstände in Unternehmen und Behörden hinweisen. Hinweisgeber genießen zukünftig insbesondere in strafrechtlicher und arbeitsrechtlicher Hinsicht Privilegien.

Anwendungsbereich

Lange herbei gesehnt wurde die gesetzgeberische Entscheidung über den sachlichen Anwendungsbereich: Während sich die Richtlinie auf Verstöße gegen das EU-Recht beschränkt, geht das HinSchG hierüber hinaus und erfasst sämtliche straf- und bußgeldbewehrten Verstöße gegen geltendes Recht. Darüber hinaus sind auch Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen
Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft erfasst, soweit sie einen der aufgezählten Rechtsbereiche (z.B. Vergaberecht, Produktsicherheit, Tiergesundheit usw.) betreffen.

Strukturelle Lösung: Meldesysteme

Neben weiteren Privilegien soll das gesetzgeberische Ziel in erster Linie durch eine strukturelle Lösung verwirklicht werden: Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern sowie Gemeinden ab einer Einwohnerzahl von 10.000 werden verpflichtet, ein internes Meldesystem zu installieren. Seitens des Bundes sowie der Länder sind externe Meldestellen einzurichten. Durch die Einrichtung dieser Kanäle soll zugleich im Sinne der Unternehmen und Gemeinden ein vorschnelles Publikwerden von Verdachtsfällen beschränkt werden.

Die Diskussion über das richtige Verhältnis der internen und externen Stellen zueinander ist älter als die Richtlinie selbst und wurde ebenfalls mit Spannung erwartet. Der Referentenentwurf sieht insofern ein Wahlrecht zwischen der internen und externen Meldestelle vor – wenngleich Anreize geschaffen werden sollen, sich vorrangig an die internen Meldekanäle zu wenden. Ob Salomon wohl auch so entschieden hätte, darf bezweifelt werden… .

Als ultima ratio verbleibt der Gang an die Öffentlichkeit. Voraussetzung für dessen Zulässigkeit ist, dass der Weg über eine externe Meldestelle erfolglos beschritten wurde, hier Repressalien drohten, die Einleitung wirksamer Folgemaßnahmen nicht zu erwarten ist oder der Missstand eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses bedeutet.

Weitere Privilegien für Hinweisgeber

Erleidet der Meldende nach der Meldung eines Missstands Nachteile – etwa eine Kündigung, Mobbing oder Einschüchterung – so kommt ihm für die Geltendmachung von Ansprüchen eine Beweislastumkehr zugute: Er muss dann nur nachweisen, dass er Repressalien ausgesetzt war. Der Zusammenhang mit dem Hinweisgeben wird dann vermutet.

Zivilrechtlich ist eine Haftung des Hinweisgebers zudem auf vorsätzliche und grob fahrlässige Verstöße beschränkt. Ordnungsrechtlich bedenklich, rechtspolitisch jedoch so gewollt, ist demgegenüber das vollständige Fehlen einer Haftung des falsch Meldenden – selbst, wenn er vorsätzlich handelt!

KRAFT. Rechtsanwälte empfehlen, sich bereits jetzt mit der Einrichtung eines niederschwelligen Hinweisgebersystems zu beschäftigen.

Wussten Sie eigentlich, dass … der Ausdruck to blow a whistle für jmd. verpfeifen bereits 1610 von Shakespeare in seinem Wintermärchen verwendet wurde? Zugleich erinnert er an die seit 1830 mit Trillerpfeifen ausgestatteten Londoner Stadtpolizisten sowie an Schiedsrichter. Im Kontext des whistle-blowings wurde der Begriff erstmals 1963 im Zusammenhang mit der Weitergabe geheimer Dokumente zur Sicherheitspolitik der US-Administration unter Leitung von John F. Kennedy verwendet.

Erik Meurers
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