Durchsuchungen nur bei Anfangsverdacht  

31. März 2023

Durchsuchungen nur bei Anfangsverdacht  

Die Durchsuchung von Wohn- oder Geschäftsräumen stellt eine standardmäßige Ermittlungsmaßnahme dar, für deren Anordnung nur sehr niederschwellige Anforderungen erfüllt sein müssen. Diese geringen Hürden müssen aber immerhin erfüllt sein – wie das LG Rostock jüngst noch einmal klargestellt hat.

Der Staatsanwaltschaft steht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein großes Instrumentarium möglicher Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung. Neben der Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen sieht die Strafprozessordnung etwa die polizeiliche Beobachtung, körperliche Untersuchungen, Telekommunikationsüberwachung, längerfristige Observationen oder die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen, Personen und Sachen vor.

Während die Vernehmung von Zeugen meist ohne weiteres möglich ist, sind eingriffsintensivere Ermittlungsmaßnahmen nur bei Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen möglich. So darf zum Beispiel eine Telekommunikationsüberwachung unter anderem nur im Rahmen der Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten angeordnet werden und auch nur dann, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Ihre Anordnung steht zudem unter einem sog. Richtervorbehalt. Die Staatsanwaltschaft muss zur Umsetzung dieser Maßnahme also regelmäßig einen entsprechenden Beschluss bei dem zuständigen Ermittlungsrichter beantragen, der das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen prüft.

Ein solchen Richtervorbehalt ist auch für eine Durchsuchung vorgesehen. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für die Maßnahme jedoch geringer als man intuitiv meinen könnte. So kennt die Strafprozessordnung hierfür zum Beispiel keine Beschränkung auf bestimmte Straftaten. Es bedarf auch keines qualifizierten Verdachtsgrads. Es genügt bereits das Vorliegen eines Anfangsverdachts, also die bloße Möglichkeit der Begehung einer verfolgbaren Straftat. Für eine Durchsuchung bei einem Beschuldigten reicht es weiter, dass aufgrund kriminalistischer Erfahrungswerte die Vermutung besteht, dass die Durchsuchung zum Auffinden von sachlichen Beweismitteln führen wird – was faktisch immer der Fall sein wird. Lediglich soweit eine Durchsuchung bei einem sog. Dritten stattfinden soll, müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass Beweismaterialien (oder der Beschuldigte) in den Räumlichkeiten gefunden werden können.

Die praktische Handhabung der bereits normativ nur geringen Hürden für eine Durchsuchung führen dazu, dass ein beantragter Durchsuchungsbeschluss von den Gerichten nahezu immer per Copy-and-Paste-Verfahren und ohne echte Prüfung durchgewunken wird. Haarsträubende Fehler in den ausgefertigten Beschlüssen sprechen insoweit leider häufig eine eindeutige Sprache. Nicht selten tauchen in den Beschlüssen dieselben Rechtschreibfehler auf wie in den wortgleichen Anträgen der Staatsanwaltschaft, es werden falsche Straftatbestände angeführt oder – so zuletzt in einem von unserem Rechtsanwalt Dr. Christopher Czimek betreuten Verfahren – der Sachverhalt samt den bezeichneten Personen stammt aus einem vollständig anderen Verfahren.

Angesichts der ohnehin niedrigen gesetzlichen Hürden in Kombination mit der gängigen Praxis ist es begrüßenswert, dass das LG Rostock in einem aktuellen Beschluss die Rechtswidrigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses festgestellt hat. Nach Auffassung der Rostocker Richter mangelte es im zu entscheidenden Fall bereits an einem Anfangsverdacht. Die Durchsuchung diente vielmehr offensichtlich dem Zweck einer bloßen Ausforschung. Eine Durchsuchungsanordnung darf jedoch nicht erst der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts als Voraussetzung einer Durchsuchungsmaßnahme erforderlich sind.

Aufbauend auf unserer langjährigen Erfahrung in der Begleitung von Durchsuchungen setzen wir Ihre Rechte im Fall der Fälle gegenüber den Vollstreckungsbeamten durch. Gerne stehen wir Ihnen und Ihrem Unternehmen auch als hinterlegter Notfallkontakt zur Verfügung und geben Ihnen sowie Ihren Mitarbeitern für den Fall einer Durchsuchung präventiv klare Handlungsanweisungen – etwa in Form eines eigens von uns entwickelten Durchsuchungsleitfadens – an die Hand. Sprechen Sie uns an!

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

Wussten Sie eigentlich, dass…  der in den Medien häufig für eine Durchsuchung verwendete Begriff der „Razzia“ ursprünglich aus dem maghrebinisch-arabischen stammt und den Beute- oder Rachezug eines Stammes gegen seine Nachbarn bezeichnet?

Yvonne Krause
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