BGH zum Meistbegünstigungsprinzip bei der Einziehung
Der Grundsatz strikter Alternativität erstreckt sich gemäß einer aktuellen Entscheidung des BGH auch auf das Recht der Einziehung. Eine nach neuem Recht zulässige Einziehung kann danach auch dann angeordnet werden, wenn dies nach der zur Tatzeit geltenden Vorschrift rechtlich nicht möglich war.
Grundsätzlich bestimmt sich die Strafe im deutschen Strafrecht nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt (§ 2 Abs. 1 StGB). So soll verhindert werden, dass der Gesetzgeber erst rückwirkend Straftatbestände oder verschärfte Rechtsfolgen schafft, an denen der Täter sein Handeln ersichtlich nicht ausrichten konnte.
Eine Ausnahme von diesem Tatzeitprinzip stellt das Meistbegünstigungsprinzip aus § 2 Abs. 3 StGB dar. Danach kann auch ein anderes als das Tatzeitgesetz angewendet werden, wenn das Gesetz zwischen Tatbegehung und Verurteilung abgeändert wird und nunmehr milder ist. Der Angeklagte soll nicht nach einer Strenge abgeurteilt werden, zu der sich der Gesetzgeber zur Zeit der Urteilsfindung nicht mehr bekennt. Anwendungsfälle können sowohl Änderungen in (fortbestehenden) Straftatbeständen als auch vollständige Streichungen von Straftatbeständen betreffen. Dass beides keine Seltenheit ist, zeigt exemplarisch der jüngste Vorstoß des Bundesjustizministers Dr. Marco Buschmann, das Strafgesetzbuch systematisch zu durchforsten und zu prüfen, welche Straftatbestände gegebenenfalls historisch überholt sind.
So nachvollziehbar das Meistbegünstigungsprinzip im Ausgangspunkt ist, so herausfordernd kann seine Anwendung im Einzelfall sein. Bereits die Frage danach, welche Rechtslage die mildere ist, bereitet regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten. Stellen Sie sich nur einmal vor, dass die vorgesehene Mindeststrafe zwar reduziert, die Höchststrafe aber zugleich erhöht wird oder ein neuer Qualifikationstatbestand geschaffen wird, während gleichzeitig ein minder schwerer Fall erstmalig seinen Weg ins Gesetz findet. Die Rechtsprechung hat insoweit bereits recht früh entschieden, dass für den Vergleich der Rechtslagen ein konkreter Vergleich in Bezug auf den zu entscheidenden Sachverhalt vorzunehmen ist. So kann etwa die Schaffung eines minder schweren Falls keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, wenn die Anwendung eines solchen nicht in Betracht kommt.
Gesetzesänderungen erschöpfen sich aber nicht stets in einer Anpassung des Tatbestands oder der Hauptstrafe, sondern können auch Nebenstrafen oder Nebenfolgen betreffen. Zu der Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips in einem solchen Fall hat die Rechtsprechung ebenfalls bereits recht früh entschieden, dass ein Gesetz stets in seiner Gesamtheit aufeinander abgestimmt ist und die Frage nach dem mildesten Gesetz daher lediglich einheitlich beantwortet werden kann. Es kann entweder nur das alte Gesetz oder das neue Gesetz in seiner Gesamtheit angewendet werden – der sog. Grundsatz strikter Alternativität. Entgegen ihrer Begründung zu diesem Grundsatz, ermittelt die Rechtsprechung das mildeste Gesetz dann jedoch vorrangig durch einen ausschließlichen Vergleich der Hauptstrafen. Erst wenn dieser Vergleich mit einem „Unentschieden“ endet, komme es auf die angeordneten Nebenstrafen oder Nebenfolgen an.
Inmitten dieser Gemengelage hatte der BGH nun über einen Fall zu entscheiden, der den im Jahr 2021 reformierten Tatbestand der Geldwäsche betraf. Im Rahmen der Reform wurde unter anderem die bis dahin bestehende Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe gestrichen. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Einziehung von Taterträgen maßgeblich geändert. Während eine Einziehungsentscheidung nach dem Recht der Tatzeit nicht möglich gewesen wäre, war eine solche nach neuem Recht anzuordnen. Der BGH entschied hierzu, dass der vorrangige Vergleich der Hauptstrafen auch in diesem Fall Anwendung zu finden hat. Die neue Rechtslage war daher aus Sicht der Bundesrichter für den Angeklagten günstiger, mit der Konsequenz, dass auch die nachträglich geschaffene Möglichkeit zur Einziehung anzuordnen war – der Grundsatz der strikten Alternativität ist nach Auffassung der Leipziger Richter auch auf das Recht der Einziehung anzuwenden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Einziehung gemäß der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter ist.
Mit der nun vorliegenden Entscheidung des BGH setzt sich unser Rechtsanwalt Dr. Christopher Czimek gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Lukas Schefer in der aktuellen Ausgabe der NStZ auseinander. Wer sich vertieft mit dem Meistbegünstigungsprinzip und seiner Anwendung auf das Einziehungsrecht auseinandersetzen möchte, dem sei daher die Urteilsanmerkung in NStZ 2023, S. 282 ff. nahegelegt.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
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