OLG Zweibrücken: Kostenlosen Käse gibt es nur in der Mausefalle
Die bloße Wertlosigkeit einer Sache gewährt Dritten nicht das Recht, diese an sich zu nehmen. Dies gilt sowohl für das sog. Containern als auch für leicht verderbliches Transportgut eines verunfallten LKW – so das OLG Zweibrücken in einer aktuellen Entscheidung.
Was war passiert?
Ein mit Käse beladener LKW war in einen Unfall verwickelt. Dabei brach sein Kühlcontainer auf und ein Teil des Transportgutes fiel auf die Fahrbahn. Der spätere Angeklagte – einer der zum Einsatz gerufenen Polizisten – transportierte nach Abschluss der Sicherungsmaßnahmen einen Teil der Ware mithilfe eines Polizeitransporters ab. Hierzu forderte er den vom Eigentümer zwischenzeitlich mit der Bergung und dem Abtransport beauftragten Unternehmer zur Herausgabe von insgesamt sechs Kartons Käse an ihn auf.
Dabei ging er gemäß den Feststellungen davon aus, dass der Eigentümer des Käses wegen der unfallbedingt unterbrochenen Kühlkette kein Interesse mehr an der Ware habe und der Ansichnahme sicher zugestimmt hätte – hätte er ihn danach gefragt. Gleichzeitig soll ihm aber bewusst gewesen sein, dass das Transportgut verunfallter LKWs üblicherweise durch einen Havariekommissar geprüft werde, der anschließend eine Empfehlung hinsichtlich dessen weiterer Verwendung abgibt, und dass eine solche Prüfung zum Tatzeitpunkt beauftragt, aber noch nicht abgeschlossen war.
Das zuständige Amtsgericht hatte den Angeklagten zunächst wegen Diebstahls mit Waffen verurteilt, bevor er im Rahmen der Berufungsverhandlung durch das Landgericht freigesprochen wurde. Gegen diesen Freispruch wandte sich nun die Staatsanwaltschaft mit der Revision – mit Erfolg.
Die Entscheidung des OLG Zweibrücken
Das OLG Zweibrücken äußerte in seiner Entscheidung durchgreifende rechtliche Bedenken hinsichtlich der landgerichtlichen Annahme eines vorsatzausschließenden mutmaßlichen Einverständnisses. Denn damit habe das Landgericht verkannt, dass das vom Tatbestand des Diebstahls geschützte Rechtsgut Eigentum unabhängig von seinem wirtschaftlichen Wert geschützt wird – wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum sog. Containern jüngst noch einmal bestätigt hat. Ein zum Ausschluss des Tatvorsatzes führendes mutmaßliches Einverständnis könne daher nicht allein mit einem fehlenden wirtschaftlichen Interesse an der Sache begründet werden. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Eigentümer nach der Vorstellung des Täters vollständig kein Interesse mehr hat, selbst über die konkrete Verwendung der Sache zu entscheiden, sei sie auch wirtschaftlich wertlos.
Vorliegend hatte der Rechtsgutsinhaber aber mit der Bestellung eines Havariekommissars zum Ausdruck gebracht, die nicht mehr verkehrsfähige Ware nicht nur „irgendwie“ los werden zu wollen. Vielmehr war ihm an einer vollständigen Sichtung der Ware sowie ein Handeln nach den Empfehlungen des Havariekommissars gelegen. Dieses Interesse drängte sich bei verständiger Würdigung auch auf. Denn wenn Teile der verdorbenen Ware in den Verkehr gelangen, können sich für ihn hieraus Haftungsrisiken ergeben. Zudem sind Obliegenheiten zur Beweissicherung oder Feststellung des Restwertes gegenüber dem Transportversicherer bei Eintritt eines Schadensfalles denkbar, die einen Erhalt der Ware voraussetzen und deren Verletzung nicht zuletzt einen Ausfall der Versicherungsleistung bedingen können.
Dieses Interesse des Eigentümers war dem Angeklagten ausweislich der Feststellungen auch bekannt: Er wusste, dass ein Havariekommissar mit der Prüfung der Ware beauftragt war. Und er wusste auch um die wesentlichen Funktionen eines solchen Kommissars. Hierzu steht aber, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Containern, die Annahme in Widerspruch, der Angeklagte sei vorsatzausschließend von einem mutmaßlichen Einverständnis ausgegangen. Daher war der Freispruch aufzuheben.
Kurzzusammenfassung der Entscheidung
Mit den Worten eines russischen Sprichworts lässt sich die Entscheidung in aller Kürze wie folgt zusammenfassen: Kostenlosen Käse gibt es nur in der Mausefalle.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
Wussten Sie eigentlich, dass… es mutmaßlich nicht zur Ansichnahme der Ladung gekommen wäre, wenn der verunfallte LKW Käse der Sorte „Vieux Boulogne“ geladen gehabt hätte? Denn der nordfranzösische Weichkäse gilt als stinkigster Käse der Welt. Seinen typischen Geruch erhält er durch das Zusammentreffen seiner Enzyme mit Bier, mit dem seine Rinde während des Herstellungsprozesses eingerieben wird.