Erkenntnisse aus EncroChat-Ermittlungen wohl verwertbar

03. März 2022

Erkenntnisse aus EncroChat-Ermittlungen wohl verwertbar

Mit einem obiter dictum beendet der 6. Strafsenat des BGH (wohl) einen großen Meinungsstreit der jüngeren Vergangenheit: Die aus der Überwachung der Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst EncroChat gewonnenen Erkenntnisse sind nach Auffassung des Spruchkörpers in deutschen Strafverfahren verwertbar.

Im Jahr 2016 gründete sich das Unternehmen EncroChat, das Dienstleistungen auf dem Gebiet der verschlüsselten Kommunikation anbot. Dies geschah durch die Modifizierung von Smartphones anderer Hersteller. So wurden zur geschützten Kommunikation etwa die GPS-, Kamera- und Mikrofonhardware der Geräte entfernt sowie eine eigene Messengersoftware installiert, die sämtliche Nachrichten durch die Firmenserver routeten. Hinzu traten Funktionen, die ein kurzfristiges und endgültiges Löschen aller Inhalte auf dem Gerät ermöglichten oder die Nutzung eines parallelen Android-Betriebssystems zur Tarnung erlaubte.

Bereits 4 Jahre nach seiner Gründung musste EncroChat seinen Geschäftsbetrieb aber wieder einstellen. Grund dafür war, dass die angebotenen Dienstleistungen insbesondere von Mitgliedern der organisierten Kriminalität zur Begehung von Straftaten benutzt wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass 90 % der EncroChat-Kunden mit der Nutzung kriminelle Aktivitäten verfolgten. In der Folge leitete Interpol in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2020 umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen gegen das Unternehmen ein und infiltrierte es durch die Installation sog. Malware. Wenngleich das Unternehmen seine Nutzer noch zu warnen versuchte, resultierte daraus eine Kenntnis der Behörde von Chatinhalten, die weltweit zu rund 1.000 Festnahmen führte. Dabei wurden zahlreiche Drogenlabore ausgehoben, große Mengen Rauschgift beschlagnahmt, aber auch mehrere Auftragsmorde verhindert.

Während die Ermittlungsbehörden und die Öffentlichkeit den Einsatz noch als großen Coup feierten, kamen bereits erste rechtsstaatliche Bedenken an dem Vorgehen der französischen Ermittler auf. So missachteten sie durch die heimliche technische Infiltration – jedenfalls für EncroChat-Nutzer auf deutschem Staatsgebiet – individualschützende Rechthilfevorschriften sowie das Erfordernis weiterer Voraussetzungen für Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder Online-Durchsuchungen. In der Folge entbrannte ein Meinungsstreit über die Verwertbarkeit der Erkenntnisse der französischen Ermittler in deutschen Strafverfahren, der von den Gerichten bislang höchst unterschiedlich gehandhabt wurde.

Dieser Streit scheint nun beendet zu sein. So entschied der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 08. Februar 2022 in einem obiter dictum, dass die aus der Überwachung der Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst EncroChat gewonnenen Erkenntnisse in deutschen Strafverfahren verwertbar seien. Dabei verstehen wir Juristen unter einem obiter dictum die Äußerung einer Rechtsansicht im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung, die für diese nicht erforderlich ist, sondern nur geäußert wurde, weil sich die Gelegenheit dazu bot.

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

Wussten Sie eigentlich, dass… „ICQ“ als erster Messenger-Dienst der Welt gilt? Das israelische Startup Mirabilis ging am 15.11.1996 mit der Software online und veränderte damit das Kommunikationsverhalten einer ganzen Generation. „ICQ“ steht dabei für den englischen Ausdruck „I seek you“.

Yvonne Krause
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