BGH zur faktischen Geschäftsführung bei Unternehmensbeerdigungen
Der BGH hat sich zu den Anforderungen an die Annahme einer faktischen Geschäftsführung bei nicht werbend am Markt tätigen Unternehmen geäußert. Konkret ging es um den Fall einer Unternehmensbeerdigung. KRAFT. Rechtsanwälte erläutern die Hintergründe.
Was war passiert?
Der Angeklagte hatte es sich zum Geschäftsmodell gemacht, sanierungsbedürftige Unternehmen in seine Verfügungsgewalt zu bringen und sich das noch vorhandene Firmenvermögen anzueignen. Hierfür nutzte er eine Ein-Mann-GmbH bulgarischen Rechts, deren Geschäftsführer er war und die jeweils die Geschäftsanteile der Unternehmen erwarb. Im Anschluss an die Übernahme der Anteile organisierte er die Abberufung der alten Geschäftsführer und veranlasste die Bestellung eines neuen (Stroh-)Geschäftsführers. Sodann entzog der Angeklagte der Gesellschaft die teilweise noch vorhandenen Vermögenswerte wie Forderungen, Bankguthaben oder Kraftfahrzeuge und versäumte es, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.
Die Entscheidung des Instanzgerichts
Das LG Leipzig verurteilte den Angeklagten aufgrund des Sachverhalts zunächst wegen Beihilfe zu den begangenen Insolvenzdelikten der jeweiligen Strohgeschäftsführer, namentlich dem Bankrott (§ 284 StGB) und der Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO). Eine täterschaftliche Begehung komme hingegen nicht in Betracht, da der Angeklagte nicht als Geschäftsführer der Gesellschaften bestellt war und er auch die anerkannten Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung nicht erfülle. Hierfür sei erforderlich, dass der Handelnde eine Mehrzahl von „klassischen Merkmalen“ aus dem Kernbereich der Unternehmensleitung erfüllt – was hier nicht festgestellt werden konnte. Insbesondere sei er für die Gesellschaft nicht nach außen hin aufgetreten, was gleich mehrere der Merkmale aber voraussetzen würden.
Die Entscheidung des BGH
Dieser Entscheidung ist der BGH nun entgegengetreten. Zwar seien in der Rechtsprechung acht Kernkriterien geschäftsführender Tätigkeit anerkannt, von denen grundsätzlich eine Vielzahl – regelmäßig sechs – vorliegen müssten, um trotz einer fehlenden formalen Bestellung als Geschäftsführer zu gelten:
(1) Bestimmung der Unternehmenspolitik
(2) Unternehmensorganisation
(3) Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern
(4) Bestimmung der Höhe der Gehälter
(5) Gestaltung der Geschäftsbeziehung zu Vertragspartnern
(6) Verhandlungen mit Kreditgebern
(7) Treffen von Entscheidungen in Steuerangelegenheiten
(8) Steuerung der Buchführung
Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass diese Merkmale anhand solcher Unternehmen entwickelt worden seien, die werbend am Markt tätig sind, also auch nach außen hin auftreten. Falle ein solcher Außenauftritt vollständig nicht an, so könne eine faktische Geschäftsführung nicht allein unter Verweis darauf abgelehnt werden, dass der Betroffene diese (nicht anfallenden) Tätigkeiten nicht ausübe. Mit anderen Worten: Die acht klassischen Merkmale dürfen nicht zu schematisch angewendet werden.
Einordnung der Entscheidung
Den Ausführungen des BGH ist lediglich im Ausgangspunkt zuzustimmen, wonach das Phänomen faktischer Geschäftsführung nicht auf Unternehmen mit Außenauftritt beschränkt ist und die bisherigen Kriterien der Rechtsprechung in diesem Fall nur eingeschränkt anwendbar sind. Gleichwohl kommt der sogenannten Sechs-von-Acht-Rechtsprechung eine kaum zu unterschätzende Bedeutung für die Bestimmtheit der Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung zu. So dienen die anerkannten Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung nicht zuletzt der Abgrenzung einer geschäftsleitenden Tätigkeit von einer zulässigen lediglich mittelbaren Steuerung des Unternehmens durch interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung. Dieser Funktion vermag der BGH vorliegend keine hinreichende Alternative entgegenzusetzen.
Durch das Urteil sehen sich daher sowohl gewerblich agierende Firmenbestatter als auch externe Sanierungs- und Restrukturierungsberater sowie die Gesellschafter eines Unternehmens zukünftig einem erhöhten Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt, welches es in der Praxis zu beachten gilt. Gesellschaftern kann daher nur geraten werden, zukünftig in wirtschaftlichen Krisen größere Zurückhaltung walten zu lassen, um nicht in den Verdacht einer faktischen Geschäftsführung zu geraten. Externen Beratern kann hingegen einmal mehr nur geraten werden, stets hinreichend zu dokumentieren, dass sie lediglich Empfehlungen aussprechen, während die finalen Entscheidungen bei den formalen Organen verbleiben. In Zweifelsfragen sollte stets die Meinung eines Rechtsanwalts eingeholt werden.
Wer sich vertieft mit den Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung auseinandersetzen möchte, dem sei die Entscheidungsanmerkung unseres Rechtsanwalts Dr. Christopher Czimek und unserer ehemaligen Praktikantin Frau stud. iur. Sophia Okonkwo in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift NStZ 2025, S. 486 f. empfohlen.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
Wussten Sie eigentlich, dass… es in der norwegischen Stadt Longyearbyen gesetzlich verboten ist, zu sterben? Das Gesetz gibt es bereits seit 1950 und hat seinen Grund in der geografischen Lage des Ortes: Der Permafrost erlaubt es nicht, eine Person zu beerdigen. Zudem behindert die Kälte den Verwesungsprozess. Einwohner müssen sich daher zum Sterben auf das Festland begeben – oder werden nach ihrem Tod dorthin verbracht. Unternehmensbeerdigungen dürften von dem Verbot aber nicht umfasst sein.