LG Frankfurt a.M. zur Wertersatzeinziehung

14. Oktober 2021

LG Frankfurt a.M. zur Wertersatzeinziehung

Mit medienwirksamem Urteil vom 30.09.2021 hat das LG Frankfurt a.M. einen früheren Fondsmanager zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 45,31 Mio. € angeordnet – der Gewinn aus den Taten lag demgegenüber bei „nur“ rund 8,3 Mio. €.

Das LG Frankfurt a.M. hat jüngst einen ehemaligen Fondsmanager wegen Verstoßes gegen das Verbot von Insidergeschäften zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Als Manager von gleich zwei der größten Investmentfonds der Union Investment wusste er bereits im Voraus, wenn größere Zukäufe bevorstanden, die Einfluss auf die Kurse haben würden. Dieses vertrauliche Sonderwissen nutzte er vor Erfolgen der Transaktionen in zahlreichen Fällen zu seinem eigenen Vorteil. Er deckte sich privat mit sog. Call-Optionsscheinen ein, die nach dem Zukauf durch die Publikumsfonds in ihrem Wert deutlich stiegen. Durch dieses, im Kapitalmarktstrafrecht als Frontrunning bezeichnete, Verhalten erzielte der Angeklagte einen Gewinn in Höhe von 8,3 Mio. €. Neben der Verhängung der Freiheitsstrafe hat das Gericht auch die Einziehung in Höhe von 45,31 Mio. €, dem Wert des erzielten Umsatzes, angeordnet. Die angeordnete Einziehung beträgt damit das fünffache des erzielten Gewinns und übersteigt diesen um rund 37 Mio. €.

Dabei folgt das Einziehungsrecht dem Grundsatz, dass sich Verbrechen nicht lohnen darf – crime must not pay. Dennoch irritiert die Entscheidung auf den ersten Blick. Geht die Einziehung doch gerade über das hinaus, was der Täter als Mehr aus der Straftat erzielt hat. KRAFT. Rechtsanwälte erläutern die Hintergründe:

Das Gesetz legt der Einziehung nicht den aus einer Straftat erzielten Gewinn zugrunde. Einzuziehen ist vielmehr dasjenige, was der Täter aus der Tat erlangt hat. Ist die gegenständliche Einziehung nicht möglich, ist ein Geldbetrag einzuziehen, der dem Wert des Erlangten entspricht. Die Ermittlung dieses Werts folgt dem sog. Bruttoprinzip. Es sind sämtliche Vermögenswerte zu ermitteln, die dem Täter in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, ohne Berücksichtigung etwaiger „Betriebsausgaben“ – hier also der vollständige Wert der Wertpapiere zum Zeitpunkt der Ausübung der Option.

Erst in einem zweiten Schritt sieht das Gesetz – in Einschränkung des Bruttoprinzips – den Abzug von Aufwendungen vor (§ 73d Abs. 1 S. 1 StGB). Dadurch soll verhindert werden, dass der Wertersatzeinziehung Strafcharakter zukommt. Diese Möglichkeit soll dem Täter hingegen nicht zugutekommen, wenn er die Aufwendungen gerade für die Begehung der Tat oder ihre Vorbereitung aufgewendet hat (§ 73d Abs. 1 S. 2 StGB). Nach der eindeutigen gesetzlichen Konzeption unterliegen Wertpapiere beim Insiderhandel daher dem Abzugsverbot, wenn sie gerade gezielt zur Begehung der Tat erworben wurden.

Diese gesetzliche Konzeption hat zur Konsequenz, dass eine anzuordnende Einziehung den Wert des erzielten Gewinns nicht selten übersteigt und – selbst wenn der Täter den gesamten Gewinn noch vorhält – seine Zahlungsfähigkeit oft überschreitet. Da die Pflicht zu derartigen Geldzahlungen auch im Rahmen der Privatinsolvenz von der sog. Restschuldbefreiung ausgenommen ist (§§ 302 Nr. 2, 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO), bleibt der Täter im Zweifel sein Leben lang zur Zahlung in der angeordneten Höhe verpflichtet. Damit lohnt sich das Verbrechen wohl tatsächlich nicht mehr. Faktisch kommt der Einziehung so aber dennoch Strafcharakter zu, den viele Täter mehr fürchten als die originäre Geld- oder Freiheitsstrafe. Ob die angekündigte Revision des Angeklagten hieran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

Wussten Sie eigentlich, dass… Knechte und Dienstboten in Süddeutschland und Österreich im 18. und 19. Jahrhundert die im Laufe des Jahres für die Verrichtung des Stuhlgangs beanspruchte Zeit, an unbezahlten Arbeitstagen am Ende des Jahres nachholen mussten? Hierin liegt der Ursprung der redensartlichen „Scheißtage“. Als „Scheißtag“ dürfte auch der angeklagte Fondsmanager den Tag der Urteilsverkündung empfunden haben.

Yvonne Krause
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