Verteidigungspoker Einlassung

08. Dezember 2022

Verteidigungspoker Einlassung

Einlassung in der Hauptverhandlung – Ja, Nein oder doch Jein? Für die Verteidigung ist die Frage nach der Einlassung eine der zentralen strategischen Entscheidungen jedes Strafverfahrens. Ihre Beantwortung kann dem Angeklagten die Freiheit erstreiten oder ihm „Kopf und Kragen“ kosten.

Jeder Angeklagte hat in der Hauptverhandlung grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Es steht ihm frei sich zu den Vorwürfen zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Nemo tenetur se ipsum accusare Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten“. Tatsächlich sind die Möglichkeiten aber wesentlich vielseitiger als der erste Anschein es vermuten lässt.

Schweigerecht

Macht der Angeklagte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch, steht seine Einlassung nicht nur als Beweismittel nicht zur Verfügung. Das Gericht darf hieraus insgesamt keine nachteiligen Schlüsse für ihn ziehen. Seine Verurteilung muss dann auf weitere Beweismittel gestützt werden. Zugleich beraubt der Angeklagte sich dadurch aber der Chance, aktiv auf die Beurteilungsprognose des Gerichts einzuwirken. Denn wer schweigt, kann keinen eigenständigen Sachverhalt präsentieren oder andere entlastende Tatsachen vorbringen. Es ist dem Gericht insoweit auch verwehrt, dem schweigenden Angeklagten Entlastungsumstände zu unterstellen.

Teilschweigen

Eine andere Bewertung erfahren Fälle, in denen der Angeklagte sich zwar grundsätzlich zu den Vorwürfen einlässt, sich zu einzelnen Fragen oder Vorhalten des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter aber nicht äußert. In diesem Fall darf das Gericht das teilweise Schweigen sehr wohl zum Nachteil des Angeklagten werten. Denn durch seine grundsätzliche Entscheidung für eine Einlassung hat sich der Angeklagte freiwillig dazu entschieden, diese der Würdigung des Gerichts zu unterstellen. Ein Teilschweigen führt dabei aber nicht im Sinne eines Automatismus zu nachteiligen Schlüssen für den Angeklagten.  Voraussetzung hierfür ist vielmehr, dass nach den Umständen Angaben zu dem verschwiegenen Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind.

Varianten des Einlassungsverhalten

Dem gesetzlichen Leitbild einer Äußerung zu den Vorwürfen entspricht demgegenüber die zunächst frei vorgetragene Darstellung des Sachverhalts mit der anschließenden vollständigen Beantwortung von Rückfragen. Durch diese Form der Einlassung erhält das Gericht die Möglichkeit, sich ein eigenes unmittelbares Bild des Angeklagten und seines Aussageverhaltens zu machen.

Neben einem Einlassungsverhalten im Sinne des gesetzlichen Leitbilds, sind weitere Einlassungsvarianten möglich, die gleichwohl nicht als Teilschweigen zu bewerten sind. So steht es dem Angeklagten etwa frei, anstelle einer frei vorgetragenen Darstellung des Sachverhalts eine vorbereitete Erklärung zu verlesen. Ein solches Vorgehen kann sich etwa bei komplexen Sachverhalten oder besonders angespannten Angeklagten anbieten. Ebenso ist es möglich, sich über seinen Verteidiger zu den Vorwürfen einzulassen und sich dessen Vortrag anschließend zu eigen zu machen.

Ungeachtet der Art des Vortrags zum Sachverhalt schließt sich die Frage an, ob der Angeklagte sich im Anschluss an seine Erklärung den Rückfragen der Verfahrensbeteiligten stellt. Denn der freien Beantwortung von Rückfragen wohnt stets die Gefahr inne, dass sich der Angeklagte unbedacht selbst belastet – auf eine vorherige Bekanntgabe des Fragenkatalogs lassen sich erfahrungsgemäß nur wenige Spruchkörper ein. Sich den Nachfragen nicht zu stellen, qualifiziert die Aussage jedoch als Teilschweigen mit den bereits dargestellten Konsequenzen.

Beweiswert von Verteidigererklärungen ohne Rückfragemöglichkeit

Ungeachtet der dargestellten Konsequenzen eines Teilschweigens hat der Bundesgerichtshof jüngst noch einmal betont, dass einer Einlassung mittels Verteidigererklärung ohne Möglichkeit kritischer Rückfragen per se lediglich ein verminderter Beweiswert zukommt. Denn es handelt sich regelmäßig um ein im Vorfeld der Angaben schriftlich ausgearbeitetes, situativ nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen, das nur sehr eingeschränkt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich ist. Anders als bei einer mündlich abgegebenen Sachäußerung kann hieraus kein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden. Der Beweiswert eines solchen Einlassungssurrogats bleibt substanziell hinter dem einer dem gesetzlichen Leitbild der Einlassung entsprechenden, nicht nur persönlich und mündlich, sondern auch in freier Rede und vollständig getätigten Äußerung zurück.

Festlegung der Verteidigungsstrategie

Dieser geminderte Beweiswert einer Verteidigererklärung ohne Möglichkeit kritischer Rückfragen stellt ein weiteres zu berücksichtigendes Abwägungskriterium im Rahmen der Festlegung einer Verteidigungsstrategie dar. Als erfahrene Profis der Strafverteidigung analysieren wir die Beweislage und wägen gemeinsam mit Ihnen ab, welches Einlassungsverhalten im konkreten Fall den größten Erfolg verspricht.

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

Wussten Sie eigentlich, dass… die Redensart „sich um Kopf und Kragen reden“ der mittelalterlichen Rechtssprache entstammt? Der Ausdruck spielt auf die Enthauptung als Hinrichtungsmethode an.

Yvonne Krause
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