Unterbrechung von Hauptverhandlungen

07. Februar 2023

Unterbrechung von Hauptverhandlungen

Hauptverhandlungen können oft nicht an nur einem Tag abgeschlossen werden. Sind aber mehrere Verhandlungstage erforderlich, so schreibt das Gesetz vor, wie viel Pause höchstens zwischen zwei Terminen liegen darf. An diese Fristen hatte sich auch das LG Ansbach augenscheinlich gehalten. Dennoch hob der BGH nun ein entsprechendes Urteil auf.

Insbesondere in Wirtschaftsstrafverfahren sind die Hauptverhandlungen meist umfangreich und erfordern zur Erfassung des relevanten Verhandlungsstoffes eine Vielzahl von Hauptverhandlungstagen. Damit die Richter auch in solchen mehrtägigen Verfahren ihr Urteil noch unter dem lebendigen Eindruck des zusammenhängenden Bildes des gesamten Verhandlungsstoffes fällen können, zwingt das Gesetz die Gerichte mit § 229 StPO zu einer möglichst engen Aufeinanderfolge von Verhandlungstagen. Danach darf eine Hauptverhandlung regelmäßig nur bis zu drei Wochen unterbrochen werden. Haben bereits zehn Hauptverhandlungstage stattgefunden, darf die Pause auch bis zu einem Monat betragen. Kann die maßgebliche Frist nicht eingehalten werden, so liegt ein revisibler Verfahrensverstoß vor und das Verfahren muss vollständig neu durchgeführt werden (§ 229 Abs. 4 S. 1 StPO).

Die fristgerechte Terminfindung gestaltet sich dabei insbesondere bei langen Verfahren mit vielen Beteiligten nicht immer so einfach, wie es der erste Anschein vermuten lässt. Die Strafkammern haben oft nur wenige Sitzungstage pro Woche zur Verfügung und sowohl das Gericht als auch die Verteidiger betreuen regelmäßig mehr als nur das eine Verfahren. Hinzu kommen Feiertage und Urlaubszeiten aller Beteiligten sowie krankheitsbedingte Ausfälle. Vor diesem Hintergrund hat sich eine Praxis etabliert, nach der zur Wahrung der Fristen des § 229 StPO bei Terminengpässen sog. Schiebetermine angesetzt werden. Dabei handelt es sich um meist kurze Hauptverhandlungstermine, die vorrangig der Fristwahrung dienen und in denen nur nachrangig zur Sache verhandelt wird. Dennoch darf ein Verhandeln zur Sache nicht vollständig ausbleiben. Reine Schiebetermine, die allein der formalen Wahrung der Unterbrechungsfrist dienen, sind unzulässig und können die Unterbrechungsfristen nicht wahren. Für ein Verhandeln zur Sache kann jedoch etwa (schon) die Verlesung einer Urkunde oder die Inaugenscheinnahme eines Beweisstücks hinreichen. Maßgeblich ist, dass Prozesshandlungen oder Erörterungen zu Sach- und Verfahrensfragen stattfinden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch substanziell zu fördern.

Angesichts dieser Praxis kurzer Hauptverhandlungstage mit nachrangiger Verhandlung zur Sache stellt sich in Strafverfahren immer wieder mal die Frage, ob an einem Hauptverhandlungstag tatsächlich noch hinreichend zur Sache verhandelt wurde oder ob es sich lediglich um einen unzulässigen reinen Schiebetermin gehandelt hat – mit der Folge, dass mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen ist. Über einen besonderen Extremfall hatte nun der BGH zu entscheiden:

In einem Verfahren vor dem Landgericht Ansbach begann die Hauptverhandlung im Mai 2017. Das insoweit vorgesehene Beweisprogramm war bis Ende Mai 2017 auch abgearbeitet. Sodann stellte die Verteidigerin des Angeklagten den Antrag, ein Sachverständigengutachten zum wirtschaftlichen Potenzial des Unternehmens ihres Mandanten einzuholen – ihm wurde unter anderem das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 204 Fällen zur Last gelegt und durch einen Sachverständigen sollte geklärt werden, ob die ihm zur Last gelegten Schwarzlohnzahlungen durch seinen Betrieb überhaupt hätten erwirtschaftet werden können. Dem Beweisantrag wollte die Kammer aber offensichtlich nicht entsprechen und ließ daraufhin außerhalb der Hauptverhandlung die Buchhaltung des Angeklagten aufarbeiten. Gegenstand der Hauptverhandlung in den kommenden drei Jahren 2018, 2019 und 2020 war sodann im Wesentlichen die Erörterung der außerhalb der Hauptverhandlung erfolgenden Ermittlungen des Hauptzollamts. Meist wurde für wenige Minuten pro Sitzung verhandelt – im Kalenderjahr 2018 insgesamt für 7,5 Stunden, im Jahr 2019 insgesamt für 5,5 Stunden, im Jahr 2020 insgesamt für 6,5 Stunden. Erst im September 2020 lehnte das Gericht dann den Beweisantrag der Verteidigerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung ab, es habe aufgrund der Schadensberechnungen ausreichend eigene Sachkunde.

Der BGH entschied nun, dass in diesem Vorgehen ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 229 StPO zu erblicken ist und die Fortsetzungstermine jeweils nicht geeignet waren, die gesetzlich vorgesehenen Unterbrechungsfristen zu wahren. Aus dem gesamten Verfahrensgang sei erkennbar, dass das Gericht mit der Verhandlung allein die Wahrung der Unterbrechungsfrist bezweckte. Dies ergebe sich bereits allein aus dem Umstand, dass drei Jahre in Folge die jährliche Verhandlungsdauer kaum über jene eines einzigen (regulären) Sitzungstages hinausgegangen sei. Selbst wenn also an einzelnen Hauptverhandlungstagen Verfahrenshandlungen vorgenommen wurden, die grundsätzlich ein Verhandeln im Sinne des § 229 StPO darstellen, ergebe eine Gesamtschau, dass das Landgericht vorliegend nur der äußeren Form nach tätig geworden ist. Dies könne die Unterbrechungsfristen nicht wahren.

Als Ihre Strafverteidiger haben wir die Fristen des § 229 StPO sowie die Anforderungen an noch zulässige bzw. nicht mehr zulässige Schiebetermine stets im Blick und setzen Ihr Recht auf eine Verurteilung (nur) durch eine konzentriert stattgefundene Hauptverhandlung durch – wenn es sein muss auch in der Revisionsinstanz.

Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach

Wussten Sie eigentlich, dass… das sog. Schmücker-Verfahren als längster Prozess der deutschen Justizgeschichte bezeichnet wird? Das Verfahren begann 1976 und endete nach 15 Jahren und insgesamt 591 Verhandlungstagen mit der Einstellung des Strafverfahrens – wenn auch verteilt auf vier Strafverfahren.

Yvonne Krause
Send this to a friend