BGH: Zum Verhältnis von Einziehung zu Geld- und Freiheitsstrafe
Der 3. Strafsenat des BGH äußert sich in einer aktuellen Entscheidung zu dem Verhältnis der Tatertragseinziehung zur kumulierten Geld- und Freiheitsstrafe geäußert. KRAFT. Rechtsanwälte erläutern die Hintergründe.
Das duale Strafensystem
Das deutsche Strafrecht kennt (lediglich) zwei Hauptstrafen als Reaktion auf strafbares Fehlverhalten: die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe.
Dabei stellt die Geldstrafe gemäß der gesetzlichen Konzeption die mildere Strafe gegenüber der Freiheitsstrafe dar. Sie wird in Tagessätzen bemessen und sanktioniert den Täter, indem er einen Geldbetrag an die Staatskasse zahlen muss, der seinem Nettoeinkommen in dem Zeitraum der ausgeurteilten Tagessätze entspricht.
Die Freiheitsstrafe wird demgegenüber als härtere Strafe in Jahren und Monaten bemessen. Sie sanktioniert den Täter durch den Entzug seiner Freiheit während des ausgeurteilten Zeitraums. Dabei besteht bei einer Freiheitsstrafe in Höhe von bis zu 2 Jahren die Möglichkeit, von der Vollstreckung der Strafe abzusehen, wenn der Täter sich in einem festzusetzenden Zeitraum bewährt. Bewährt er sich in diesem Zeitraum hingegen nicht, weil er etwa weitere Straftaten begeht, so wird die Aussetzung der Vollstreckung widerrufen und die Sanktion wird umgesetzt.
Welche der Strafen in Betracht kommt, ist zunächst dem Strafrahmen des Gesetzes zu entnehmen. So sehen leichtere Vergehen, also solche ohne eine erhöhte Mindeststrafe, sowohl die Verhängung einer Geld- als auch einer Freiheitsstrafe vor. Über die Schuldangemessenheit der einen oder anderen Sanktion hat das Gericht im Einzelfall zu entscheiden. Verbrechen sowie Vergehen mit einer erhöhten Mindeststrafe sehen demgegenüber ausschließlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe vor.
Dabei stehen die Strafen grundsätzlich exklusiv nebeneinander: Wird auf eine Geldstrafe erkannt, scheidet die Verhängung einer Freiheitsstrafe aus und wird auf eine Freiheitsstrafe erkannt, scheidet die Verhängung einer Geldstrafe aus.
Geldstrafe neben Freiheitsstrafe
Ausnahmsweise sieht § 41 StGB jedoch die Möglichkeit einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe vor. Konkret heißt es dort: „Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.“
Durch ein solches Nebeneinander soll insbesondere der Täter eines Vermögensdelikts nicht nur durch die Einschränkung seiner Freiheit, sondern auch an seinem Vermögen gestraft werden. Insoweit kommt der Norm in der Praxis des Wirtschaftsstrafrechts nicht selten eine große Bedeutung zu – wobei auf diese Möglichkeit erfahrungsgemäß als Verteidiger aktiv hinzuwirken ist. Nicht selten kann dadurch auch erst die Voraussetzung für die Verhängung einer noch bewährungsfähigen Freiheitsstrafe geschaffen werden. Gibt das Gericht etwa zu erkennen, dass es grundsätzlich eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten für schuldangemessen erachtet, so eröffnet § 41 StGB die Möglichkeit die zu verhängende Freiheitsstrafe durch eine daneben verhängbare Geldstrafe in den bewährungsfähigen Bereich zu reduzieren.
Die Einziehung
Während die dargestellten Strafen – egal ob einzeln oder nebeneinander ausgesprochen – den Täter sanktionieren sollen, verfolgt das Institut der Einziehung den Zweck, etwaige Vermögensverschiebungen durch die Tat rückgängig zu machen: Straftaten sollen sich nicht lohnen. Die Einziehung des Tatertrags ist dabei gemäß der Rechtsprechung allein bereicherungsrechtlicher Natur und stellt keine Sanktionierung des Täters dar. Selbst dann nicht, wenn die Einziehung mit dem sogenannten Bruttoprinzip deutlich über den Gewinn aus der Straftat hinausgeht.
Die Entscheidung
In diesem Zusammenhang hatte der BGH nun (erneut) über das Verhältnis einer Einziehungsentscheidung zu der Möglichkeit der Verhängung einer Geld- neben einer Freiheitsstrafe zu entscheiden. Während der 1. Strafsenat in der Vergangenheit mehrfach betont hat, dass eine Einziehungsentscheidung keinen Raum für eine Anwendung des § 41 StGB lasse, ist der 3. Strafsenat dem nun entgegengetreten. Danach sei eine Abschöpfung der Bereicherung des Täters im Wege der Tatertragseinziehung zwar gegebenenfalls Anlass, auf die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafe zu verzichten. Sie schließe eine Anwendung von § 41 StGB aber weder zwingend noch regelmäßig oder auch nur grundsätzlich aus – was insbesondere vor dem Hintergrund der Anerkennung einer lediglich bereicherungsrechtlichen Wirkung der Einziehung sowie der allein sanktionierenden Wirkung einer Geldstrafe konsequent ist.
Dabei hat der 3. Strafsenat im konkreten Fall noch davon abgesehen, die Frage des Verhältnisses der Einziehung zu § 41 StGB dem Großen Senat vorzulegen. Angesichts der hohen praktischen Bedeutung der Normen insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht ist jedoch damit zu rechnen, dass eine zeitnahe erneute Kollision der Auffassungen und damit auch eine einheitliche Entscheidung durch den Großen Senat unausweichlich ist.
Die Verteidigung
Als Experten auf dem Gebiet der Strafverteidigung im Wirtschaftsrecht haben wir die Entwicklungen in der Rechtsprechung zu dem Sanktionensystem stets im Blick und wirken in der Hauptverhandlung selbstverständlich auf das für Sie beste Ergebnis hin. Sprechen Sie uns gerne an.
Ihre Strafverteidiger von KRAFT. Rechtsanwälte aus Mönchengladbach
Wussten Sie eigentlich, dass… Sie anstelle der Bezahlung einer Geldstrafe, diese auch im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis absitzen können? Sie wird im Fall einer uneinbringlichen Geldstrafe zwangsweise vollstreckt, wobei ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tagessätzen der Strafe entspricht. In Kombination mit den Voraussetzungen eines Strafbefehls – also einem Urteil in Briefform, dessen Bedeutung sich die Betroffenen oft nicht bewusst sind – kann dies zu dem bedenklichen Ergebnis führen, dass Menschen in Haft sitzen, die vorher noch nie vor einem Richter standen.